11 Monate. So lange bin ich jetzt schon hier. Es schneit und mein Handy macht mich darauf aufmerksam, dass um die -14 Grad draußen herrschen.

Winter in Montréal. Das komplette Gegenteil zum Sommer, in dem man vor lauter Hitze an manchen Tagen völlig eingeht. Und auch stimmungstechnisch hat sich hier alles auf den Kopf gestellt. Das Hostel ist fast leer, es finden sich sehr wenige Leute an der Bar ein und irgendwie scheint die Luft raus zu sein.

Kanada bzw. Montréal ist plötzlich anders und das Wort Winter-Depression haben hier schon so einige Leute in den Mund genommen.

Mein Leben hier besteht momentan hauptsächlich aus arbeiten, arbeiten und schlafen. Hört sich ja mal meeeega langweilig an. Work & Travel, das sollte doch eigentlich nur Spaß am Fließband sein, oder?

Diesen Eindruck bekomme ich im Gespräch mit „Nicht-Backpackern“ jedenfalls sehr oft und deshalb habe ich mir darüber mal ein paar Gedanken gemacht.

Das Work & Travel-Verhältnis

Die meisten Leute, die sich ein Work & Holiday Visum beschaffen haben ein, sagen wir mal, 50:50 Verhältnis was das Reisen und die Arbeit betrifft. Eine ziemlich perfekte Balance und so ähnlich sah es auch bei meinem ersten Aufenthalt in Australien vor 6 Jahren aus.

In Kanada war ich hingegen zwei Monate reisen, acht Monate arbeiten und die anderen zwei Monate waren etwas „Wischi-Waschi“. Darunter fallen Ankunft, Job finden, aus dem Westen zurückkommen und wieder einen Job finden, etc. Ihr seht was ich meine.

Aber warum hat sich mein Work & Travel-Verhältnis also dieses Mal so stark verschoben? Ich versuche es mal aufzuschlüsseln.

1. Die Ersparnisse

Bei meiner ersten Reise hatte ich doppelt so viele Ersparnisse auf der Seite, als bei meiner Reise nach Kanada. Dementsprechend war mir von Anfang an klar, dass das Traveln etwas kürzer ausfallen würde. Aber es waren ja sowieso nur sechs bis sieben Monate geplant. Von daher machte ich mir darüber anfangs keine Sorgen. Dass es nicht bei den sieben Monaten blieb, wisst ihr ja bereits.

Kleine Randnotiz: In Kanada hatte ich ca. um die 2000€ an Ersparnissen auf der Seite, als ich einreiste.

2. Verdienstmöglichkeiten

Gehälter oder besser gesagt Mindestlohn in Australien: ca. 18$!!!

Ein Traum für jeden Backpacker. Und natürlich dürft ihr jetzt zurecht schreien: „Ja aber da sind doch die Lebenskosten viel höher!“ Da habt ihr natürlich vollkommen recht. Trotzdem: in Australien konnte ich mir mit einem Vollzeit Job locker 400$ pro Woche auf die Seite legen. Wie gesagt, locker!

Man verdient also gutes Geld und kann damit ganz gut durchs Land reisen oder auch kostengünstig einen Abstecher nach Asien machen.

Wie sieht es in Kanada aus? Ich mach’s kurz: umgekehrt! Mindestlohn in Kanada: ca. 11.50$

Zumindest in Quebec, aber auch im Westen muss es nicht unbedingt viel mehr sein. Was ich bisher von Freunden gehört habe: maximal 15$. Aua, Aua… Da schmerzt die Backpacker-Seele!

Erschwerend kommt hinzu, dass der Westen einfach unglaublich teuer ist. BC, was eigentlich für British Columbia steht, wird deshalb auch gerne scherzhaft als „Bring Cash“ bezeichnet. Und das zurecht! Wenn ich an die Lebensmittelpreise denke wird mir jetzt noch schlecht. Gar kein Vergleich zu Quebec.

Unterm Strich lässt sich also festhalten: Australien ist einfach das bessere Land um die Reisekasse aufzufüllen. Das ändert sich natürlich sofort, solltet ihr einen Job in eurer Branche finden und somit der Mindestlohn-Hölle entrinnen.

3. Das Arbeitsvolumen

Während ich in Australien auf Farmen angestellt war, durfte ich in Kanada ins Küchenbusiness einsteigen und bei beiden Küchenjobs, die ich in dieser Zeit hatte, dauerte es erstmal ca. vier Wochen bis ich auf Stunden kam.

Beim ersten Job lag es daran, dass der „Marché des Éclusiers“ erstmal ins rollen kommen musste und die Saison gerade erst startete. Im „Le Warehouse“ hingegen war die Saison gerade zu Ende, man wollte Kosten einsparen und sehen, ob ich denn wirklich fit genug für den Job wäre. Zur Verteidigung muss man dabei auch wirklich von schlechtem Timing sprechen. Woanders wäre ich vielleicht sofort auf meine 40 Stunden pro Woche gekommen.

Zum Vergleich: in Australien war dies damals der Fall. Lediglich bei einem Job musste ich damals etwas warten bis wir genug Stunden bekamen.

Ich halte also fest: Das sind mitunter drei Gründe, die euer Work & Travel Abenteuer stark beeinflussen können. Meiner Meinung nach realistische Einschätzungen, basierend auf meinen Erfahrungen.

Work & Travel ist also nicht immer nur Fun, Fun, sondern auch meist mit verdammt viel harter Knochenarbeit im Mindestlohnsektor verbunden. Meckern will ich an dieser Stelle aber auf keinen Fall, denn aus all diesen Jobs habe ich persönliche sehr viele Lehren für mich gezogen und ein paar richtig coole, verrückte Leute kennen gelernt. Deshalb behaupte ich auch mittlerweile, dass der Work-Teil eigentlich besser ist, weil man für eine längere Zeit an einem Ort ist, Locals kennenlernt und die Chance hat richtige Freundschaften zu schließen.

Lasst euch auf jeden Fall nicht von meinen Erfahrungen abschrecken, falls jetzt irgendwas dabei war, was euch Kopfschmerzen bereitet! Das Schöne am Auslands-Aufenthalt ist, dass es bei jedem anders läuft und das wir es alle schaffen uns irgendwie durchzuboxen. Und vielleicht sollte ich auch erwähnen, dass ich genug Leute kennen gelernt habe, die mit viel weniger klar gekommen sind als ich und dass ich in meinen ersten Wochen Kanada gedacht habe ich müsste mir mindestens einmal pro Woche ein schönes Stück Lachs gönnen. 😅 Aber was soll ich sagen, ich genieße einfach gerne gutes Essen 🤗

Also Leute, damit soll es auch für heute gut sein und ich hoffe meine Erfahrungen können euch ein etwas genaueres Bild davon geben, was euch im Ausland erwartet.

Ich kann euch versprechen, dass ihr eine unglaubliche, unvergessliche und vor allen Dingen lehrreiche Zeit haben werdet. Ich habe noch nie jemanden kennen gelernt der seine Zeit im Ausland bereut hat!

In diesem Sinne, schultert euren Rucksack und viel Spaß beim Backpacken!

Liebe Grüße,

Michi