Mit der nicht platzsparenden Pumpe als Reisebegleiter (Gastbeitrag von Marie)
Für mich war es von Anfang an klar, dass mein Diabetes nicht im Weg von meinem WorkandTravel-Aufenthalt steht. Ich kann mich allerdings an manche Situationen erinnern, an denen ich gezweifelt habe, wie ich jemals die ganzen Diabetessachen in meinen Rucksack packen soll. Das war aber der einzige große Hacken.
Für die, die sich nicht so auskennen: mit einer Insulinpumpe trägt man sehr viel Verpackungsmüll mit sich herum. Alleine eine 10er-Packung Katheter hat mehr als ein Liter Volumen und hält nur für 20 Tage. Wenn ich für elf Monate Zubehör mitnehmen würde, müsste ich wahrscheinlich einen ganzen Rucksack dafür verwenden. An einen Therapiewechsel (Pen) habe ich noch nicht mal gedacht (einmal Pumpe, immer Pumpe – die gibt man so schnell nicht mehr her, außerdem wäre die Umstellung wahrscheinlich ein zu großer Aufwand). Eine zweite Option wäre es die Sachen aus Deutschland zuschicken zu lassen. Das ist allerdings sehr teuer und, wenn man nicht gerade sesshaft ist, auch etwas umständlich mit der Adresse. Dann wäre da auch noch die Sache mit dem Insulin. Per Post aus Deutschland ist es meiner Meinung nach ein wenig risikoreich und einen Ein-Jahres-Vorrat würde ich auch nicht mit mir herumschleppen wollen.
Für mich war es also klar: ich werde mir die Sachen in Kanada besorgen. Die meisten Auslandskrankenversicherungen zahlen leider nicht für schon bestehende chronische Krankheiten wie Diabetes. In meinem Fall konnte ich über meine normale Krankenversicherung eine einjährige Auslandsversicherung für Kanada abschließen (an der Stelle vielen Dank an meinen Papa, der sich darum gekümmert hat :D). Mir wurde auch gesagt, man kann versuchen, der gesetzliche Krankenversicherung von der jeweiligen kanadischen Provinz zu beizutreten (die allerdings nicht die Auslandsversicherung ersetzt). Leider kann ich dazu nicht viel sagen, weder zu den Leistungen, Bedingungen oder wie das mit Vorerkrankungen ist. Außerdem variiert die Versicherung auch in jeder Provinz. Manchmal kann man auch nach einer bestimmten Zeit über den Arbeitgeber versichert werden. Wer sich darüber genauer informieren will, der tritt am besten in einer der vielen Work-and-Travel-Kanada-Facebookgruppen bei oder informiert sich im Internet. Ich kann auch nicht für die Richtigkeit aller Details in diesem Artikel garantieren, das sind nur die Informationen, die ich selber bekommen habe oder meine eigenen Erfahrungen.
Mitte Oktober bin ich dann mit einem kleineren und einem 60 +20 Liter- Rucksack aufgebrochen. Insgesamt hatte ich ca. neun Liter Diabeteszeug dabei, verteilt auf beide Rucksäcke. Natürlich denke ich mir manchmal, was man noch alles so mitnehmen könnte, wenn ich nicht Diabetiker wäre, aber das leichte Zubehör sorgt auch dafür, dass ich nicht mehr schwere Sachen einpacken konnte. Mein großer Rucksack hat mit Eigengewicht nur 13kg gewogen!
Der Vorrat an Katheter, Reservoiren, Insulin, Teststreifen war für 60 Tage ausgelegt und ich hatte immer in meinem kleinen Rucksack einen Notfallvorrat für 2 Wochen, falls der große Rucksack am Flughafen verlorengeht, etc. Und weil es gerade hier an die Stelle passt: Niemals bei einem Langstreckenflug Insulin im aufgegebene Gepäck lassen. Im Gepäckraum kann es sehr kalt werden und das Insulin kann dabei zerstört werden!!!!
Als ich beschlossen hatte, für die nächsten Monate in Montréal zu bleiben, bin ich auf die Suche nach einem Arzt gegangen. (Anmerkung: Wer fleißig die Kommentare von Michis Blog liest, der hat das schon bemerkt ;)). Rezeptpflichtige Medikamente bekommt man leider nur mit kanadischen Rezept, das man nur von einem Arzt bekommt. Seinen HbA1c kann man aber auch für ca. 80$ (ca. 55-60€) mit einem deutschen Rezept messen lassen, ohne eine Akte zu eröffnen oder den Arzt zu sehen.
Das Gesundheitswesen ist in Kanada wie in Deutschland das Bildungssystem: In jeder Provinz anders. Es ist sogar so, dass ich mit meinen Rezepten aus Quebec nicht ich im Westen weiterkomme.
Es ist vielleicht ein kleiner zusätzlicher Aufwand als Diabetiker zu Reisen, aber er ist es definitiv wert. Ich habe selber festgestellt, dass mein Blutzucker (und v.a. Insulinbedarf) am chaotischsten ist, wenn ich gestresst bin und mich unwohl fühle, was bis jetzt während meinem Aufenthalt in Kanada noch nicht wirklich der Fall war. Dank der Pumpe ist es auch recht einfach die Basalrate wegen Kälte und Stadterkundungstouren zu Fuß anzupassen. Jedenfalls wenn man dann mal herausgefunden hat, wie lange und wie viel man für wie viel Bewegung in der Situation hier in Montreal anpassen muss. Bei der Kälte sinkt nicht nur der Insulinbedarf, man muss auch gleichzeitig schauen, dass das Insulin nicht zu kalt wird. Ich war sehr froh, dass ich ein Unterhemd dabei hatte, das eine Tasche für meine Pumpe hatte, sodass ich mich darum nie sorgen musste. Zusätzlich sollte man auch mit dem Blutzuckermessen in der Kälte aufpassen. Ich musste schon mehrmals feststellen, dass mein sonst so zuverlässiges Messgerät falsche Werte bei Minusgraden angezeigt hat. Mittlerweile stecke ich das Gerät während dem Auslesevorgang in meine Jacke um es vor Wind und Kälte zu schützen.
Nachdem ich viel zu viele Informationen schreibe und viel zu wenig darüber erzähle, wie viel Spaß so ein WorkandTravel-Jahr macht, sind hier nochmal kurz meine Tipps in Kurzfassung. Den Teil mit dem Spaß findet man schon in Michis Videos 🙂
- Fragt bei eurer Krankenkasse nach, ob diese eine Auslandsversicherung anbieten, die alle Kosten bezüglich Diabetes abdecken.
- Checkt, ob es eure Medikamente (+Zubehör) in dem jeweiligen Land gibt. Normalerweise sollte es aber so sein.
- Überlegt euch, wie viel Gepäck ihr mitnehmen wollt. Wenn von Anfang an klar ist, dass viel gereist wird, ist es sinnvoll nicht zu viel mitzunehmen. Wer die ersten Monate an einem Ort bleiben will, kann problemlos auch mehr mitnehmen. Für Backpacker gilt: weniger ist mehr, aber in einem großen Koffer ist viel Platz für zusätzliches Diabetes-Zeug, das später verschwindet und Platz für Shoppingtouren macht 😉
- Pumpenzeug braucht viel Platz, wiegt aber wenig und sorgt dafür, dass man weniger schwere Sachen mitnehmen kann, worüber der Rücken dankbar ist.
- Ein Notfallvorrat in einem 2. Rucksack ist sehr sinnvoll
- Achtung bei Kälte mit Insulin bzw. Sensoren!
- Bis jetzt habe ich noch keine Sekunde mein Auslandsjahr in Kanada bereut und ich kann nur sagen: wenn du Lust darauf hast, dann mache es!
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