Ein paar Gedanken: Irgendwie ist doch immer was los, oder? Ständig passiert etwas, worauf man auch gut und gerne hätte verzichten können. Wobei das Wort „ständig“ ja auch irgendwie relativ ist. Man neigt eben gerne dazu die negativen Sachen länger im Kopf zu behalten.

Ich weiß ich will mein Leben genießen, die Welt sehen und mich bei meinen Träumen nicht von einer Krankheit, wie dem Diabetes einschränken lassen. Keine Angst davor haben, irgendwann nicht mehr meine Füße zu spüren, das Augenlicht zu verlieren oder Probleme mit dem Herzen zu bekommen. Ich denke der Kopf spielt dabei eine ganz wichtige Rolle…

Vor meiner Reise wurde ich oft gefragt, wieso ich „schon wieder“ ins Ausland gehe oder wieso ich überhaupt gehe. Meine Antwort fällt dann oft sehr kurz aus. Ist eigentlich immer ganz davon abhängig wen ich vor mir habe. Oft merke ich nämlich, dass diese Frage paradoxerweise von Personen gestellt wird, denen ich sowieso keine Antwort geben kann, die sie zufriedenstellt. Woher ich das weiß? Ganz einfach, diese Personen schauen mich meist trotz Erklärungsversuch verdutzt und verständnislos an. Am liebsten würde ich diese Frage sowieso mit einer ganz simplen Gegenfrage beantworten, die da lautet: „Warum denn nicht?“. Vielleicht ist es aber auch schlichtweg so, dass man es auch einfach selbst erlebt haben muss um es wirklich nachvollziehen zu können, was denn diese Reiserei mit einem anstellt. Und vielleicht reichen kurze Antworten auch einfach nicht aus um diesen prägenden und komplexen Prozess, der während des Reisens in einem ausgelöst wird zu beschreiben.

Deshalb entferne ich mich heute einfach mal von meiner kurzen Standardantwort, die um Erfahrungen, Freundschaften und das Kennenlernen anderer Kulturen kreist und gebe mir mal die Mühe eine Seite zu beleuchten, die mich auch dieses Mal wieder dazu gebracht hat den Rucksack zu schultern und ins Unbekannte aufzubrechen.

Am besten starte ich bei meinem ersten Trip in den ich mehr oder weniger rein geschlittert bin. 2011. Das Abitur rückte damals näher und ich hatte, wie so viele, null Plan was ich danach machen sollte. Dadurch, dass meine beiden älteren Schwestern als Au-Pair in den USA unterwegs waren, kam mir ziemlich schnell der Gedanke in den Sinn mit dem Rucksack durch Australien zu reisen und mir etwas von der großen weiten Welt anzuschauen, von der ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht so viel gesehen hatte. Oder besser gesagt, nicht so viel wie ich wollte.

Als ich dann ein paar Monate später mitten in Sydney stand, mit all meinem Hab und Gut auf dem Rücken war ich zunächst völlig plan- und orientierungslos. Ich habe diesen Moment noch so unglaublich stark in Erinnerung, der von diesem einen Gendanken geprägt war: „Was verdammt nochmal mache ich eigentlich hier?“ Heute kann ich zum Glück darüber lachen, denn im Endeffekt war ja alles gar nicht so schlimm, wie es auf den ersten Augenblick wirkte und Australien lieferte im Laufe der Zeit die passende Antwort auf meine Frage.

Naja, ich schweife etwas ab und greife etwas voraus. Diese kleine Anekdote soll auch nur mal ein kleiner Mutmacher für all diejenigen sein, die etwas unentschlossen sind. So ein Trip mag einen in den ersten Tagen vielleicht etwas erschlagen, aber ich kann euch versichern das Gefühl geht genauso schnell vorbei wie es gekommen ist und der Mut die Reise anzutreten und sich ungewohnten Situationen zu stellen wird mit so vielen anderen tollen Erlebnissen unterwegs belohnt.

Zurück zum eigentlichen Thema. Ich war wie gesagt mehr in die Sache reingeschlittert, als dass ich wusste was ich tat. Eines war mir damals aber schon klar und da komm ich auch schon zu dem Punkt den ich in diesem Blogpost ansprechen möchte: Ich wollte die Zeit im Ausland nutzen um einige Dinge aus der damals näheren Vergangenheit zu verarbeiten, Abstand gewinnen, reflektieren und mir einfach mal genügend Zeit für mich nehmen. Herausfinden wie es denn weitergehen sollte, denn mein Weg war mir damals noch völlig unklar.

„Jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen.“ Eine Redewendung, die mir damals schon öfters durch den Kopf schoss und mir in den Wochen und Monaten vor meinem Flug nach Kanada immer wieder in meiner Gedankenwelt herumschwirrte. Mein Päckchen bestand vor meiner damaligen Reise nach Australien aus so einigen Dingen und ich empfand es als sehr schwer.

Was dann Wunderbares in Australien geschah und was ich glücklicherweise hier in Kanada wieder erleben darf ist dieses ja fast schon spielerische Tragen der Last. Von Tag zu Tag, Woche zu Woche und Monat zu Monat lernt man neue Leute aus aller Welt kennen, stellt sich unbekannten Situationen, findet neue Lösungsansätze für alte Probleme, überdenkt seine eigene Einstellung hinsichtlich des ein oder anderen Themas und wächst dadurch Schritt für Schritt zu der Person heran, die wieder die Kraft hat das Päckchen zu tragen.

Ich kann mich noch daran erinnern, dass eine damalige Schulfreundin zu mir meinte, sie möchte nicht ins Ausland, weil ihr das wie eine Flucht vor ihren Problemen vorkommen würde. Ein Gedanke, über den ich nach dem Gespräch mit ihr einige Zeit gegrübelt hatte. Während meiner Reise und rückblickend kann ich jedoch für mich festhalten, dass es keine Flucht war. Im Gegenteil, es trat eben jener Prozess ein, den ich schon beschrieben habe und mir gab es einfach nur die Gelegenheit eine andere Sicht auf die Dinge, die mich beschäftigten zu erhaschen. Mit jedem Kilometer den ich damals mit meinem Rucksack hinter mich brachte wurde mein Päckchen leichter und ich weiß noch zu gut wie ausgeglichen ich war, als ich wieder in Deutschland ankam.

Oft bin ich zu Hause ohne es zu merken in gedanklichen Mustern und Vorstellungen gefangen, für die ich auf Anhieb keine Lösung finde. Das Backpacken gibt mir jedoch unter anderem einfach mal die Möglichkeit mich für eine gewisse Zeit aus dem Spiel zu nehmen und meine Karten neu zu mischen.

Jetzt bin ich vier Jahre älter und endlich wieder unterwegs, was ich mir eigentlich schon direkt nach meiner Australienreise vorgenommen hatte. Vor zwei Jahren kam dann die Diagnose Typ 1 Diabetes und noch so ein paar andere Sachen sind seitdem passiert, die es sich lohnt mal wieder in Ruhe aus der Ferne zu betrachten und aus den guten sowie den schlechten Dingen zu lernen. Ich habe zu ein paar Freunden gesagt, dass ich hier in Kanada nochmal „tief durchatmen“ möchte um dann wieder Vollgas geben zu können und ich kann euch sagen, dass die Luft hier verdammt gut ist! Und dabei habe ich noch nicht einmal mit dem Reisen angefangen.

Vielleicht finden sich hier ein paar junge Abiturienten, Studenten, Berufstätige, etc. wider, die sich in einer ähnlichen Situation befinden und sich fragen, wie sie etwas Abstand zu den Dingen gewinnen können oder ob so eine Reise denn Sinn macht. Ich kann euch nur sagen, dass ich hier schon so ziemlich allen Altersklassen begegnet bin. Durch die vielen Gespräche, die man hier mit Leuten aus aller Welt hat weiß ich, dass so einige ihr Päckchen schultern und eines weiß ich auch. Sie erleben alle eine tolle, prägende Zeit, die in der Regel dazu beiträgt, dass das Päckchen ein wenig leichter wird.

In diesem Sinne, schultert euren Rucksack und traut euch, ihr werdet überrascht sein was dann alles so passieren kann.

Liebe Grüße aus Montréal,

Michi

„Keep exploring seek and find, you know you might surprise yourself.“ – Jack Garratt